Dass auf Kuba noch unzählige alte Autos auf den Straßen unterwegs sind, ist wohl jedem Autonarr durchaus geläufig. Geschätzt sind auf den kubanischen Pisten noch immer rund 100.000 Autos unterwegs, die zwischen 1945 und 1958 gebaut wurden. Zum größten Teil Buick und Chevrolet, Chrysler und Oldsmobile, Ford und Cadillac – klassische Straßenkreuzer, die zurückblieben, als Fidel Castro nach der Revolution im Jahr 1959 die Amerikaner aus dem Land warf.
Aber auch alte Volkswagen haben dort eine große Beliebtheit. Ganz vorne natürlich der Käfer. Gefragt sind halt Fahrzeuge mit simpler Technik.
Da passt doch ein alter Passat genau ins Schema. Und tatsächlich, es gibt B1-Passat auf Kuba! Insgesamt soll es wohl tatsächlich sogar noch sechs Exemplare davon in Kuba geben. Zu dem Besitzer eines dieser Exemplare habe ich schon seit längerem Kontakt. Leider nicht direkt, sondern nur über Antonio, einen Mittelsmann in Deutschland.
Der war im Mai auf Kuba und lieferte mir ein paar Bilder und auch ein paar Infos zu dieser Story.
Ein 78er Passat Variant GLS mit Automatikgetriebe.
Zur Zeit ist der Wagen allerdings noch nicht fahrbereit und er macht einen, für deutsche Verhältnisse, recht erbärmlichen Eindruck. Aber Eduardo ist sehr zuversichtlich, dass sich das in Kürze ändert.
Der stolze Besitzer. Überglücklich nach Erhalt meines kleinen Care-Pakets, dass Antonio ihm bei einem Besuch im Mai überreicht hatte. Somit kann zumindest die Beleuchtungsanlage schon mal wieder auf Vordermann gebracht werden. Zwei Paar vordere Blinkleuchten und eine handvoll Lichtscheiben für die Rückleuchten habe ich auf Anfrage mal zusammengestellt. Alles Gebrauchtteile, teilweise mit minimalen Macken, so dass sie hier in Deutschland keiner mehr haben will. Auf Kuba sind solche Teile auch für Geld und liebe Worte nicht zu bekommen.
Die Vorbesitzerin des Autos war eine ältere Dame, die das Auto 20 Jahre in einer Garage hatte. Allerdings wurde er da niemals bewegt. Wer das Auto davor gefahren hat, ist nicht bekannt. Auch nicht wie der Passat nach Kuba gekommen ist. Ursprünglich ausgeliefert wurde er im September 1978 in der Schweiz. Damals war er noch Dakotabeige, hatte als Extras eine Verbundglas Windschutzscheibe, verstärkte Stoßdämpfer vorn und hinten, einen Triebwerksblock-Schutzgitter und Heckwischer.
Eduardo hat das Auto der älteren Dame abgekauft. Der „Verkehrswert“ soll bei 2.000 CUC (peso cubano convertible) liegen. An sich ein Vermögen für jeden Kubaner. Für ein Euro bekommt ein Tourist heute 1,05 CUC, also fast eine 1 zu 1 Umrechnung. Der „normale Kubaner“ allerdings zahlt in CUP (kubanischer Peso). 1 CUC = 26,50 CUP. Das Ganze erinnert stark an die ehemalige DDR mit der Ostmark (analog CUP) und der Westmark (analog CUC). In manchen Läden kann man nur in CUC bezahlen. Auch das Verhältnis zwischen CUP und CUC ähnelt stark dem Verhältnis Ostmark zu Westmark damals. Der durchschnittliche Monatslohn liegt in Kuba bei ca. 800 CUP oder umgerechnet nicht ganz 30 Euro. Dieser Wert ist etwas irreführend, da man Basislebensmittel und Medikamente sehr günstig kaufen kann, dagegen sind z.B. Internet und Autos sehr teuer.
Eduardo besitzt das Auto jetzt ca. 1 Jahr, allerdings war er auf der Suche nach einem Mechaniker, der das Auto wieder flott bekommen kann. Kürzlich ist er fündig geworden und der Fall ist typisch für Kuba heute. Der Mechaniker war bis vor einigen Jahren Chirurg im Krankenhaus. Sein Monatsverdienst lag bei ca. 900-1000 CUP (30-33 Euro). Er sattelte dann auf Automechaniker um und verdient heute das 10-Fache. Bei Autos (Kauf, Reparaturen, Ersatzteile) läuft alles nur auf Basis des CUC und nicht CUP. Man arbeitet und lebt quasi in einem parallelen Universum. Es gibt einige wenige privilegierte Berufe heute auf Kuba, bei denen man regelmäßig mit Touristen in Kontakt kommt und damit auch an Trinkgelder in harter Währung: Taxifahrer, Kellner in Touristen-Restaurants und Zimmermädchen im Hotel. Diese „Privilegierte“ können 300 CUC pro Monat durch Trinkgelder verdienen und damit das 10-fache ihres regulären CUP-Gehalts.
Besagter Mechaniker (der ehemalige Chirurg) hat ein Grundstück in Havanna von ca. 2.000 qm. Dort hat er eine unverputzte Backsteinhütte von ca. 100 qm selbst hochgezogen, die ihm als Autowerkstatt dient. Diese Werkstatt repariert ausschließlich VW. Die Hütte steht nicht auf einem Betonfundament sondern direkt auf den steinigen Boden wie der Rest des Grundstücks. In diesem Areal stehen 7 VW Käfer als „Autowracks“. Der VW Käfer ist neben dem russischen Lada ein sehr beliebtes Auto auf Kuba.
Wobei diese Käfer als Autowrack zu bezeichnen wird sicherlich falsch verstanden, denn dieser Mechaniker macht aus 2 VW Käfer wieder ein fahrtüchtiges Fahrzeug. In der Werkstatt war gerade eine solche Prozedur im Gange. Motor + Getriebe komplett ausgebaut und in Einzelteilen auf einer Decke am Boden zerlegt, Karosserie von der Bodengruppe komplett getrennt. Die Bodengruppe wurde bereits mit fremden Blechteilen und vielen Schweißnähten vom Rostfraß befreit. Noch nie zuvor hatte Antonio, meine deutscher Kontakt, so saubere und exakte Schweißnähte gesehen. Die langjährige Tätigkeit als Chirurg scheint wohl eine gute Vorübung für diese Arbeiten zu sein. Wie das Endergebnis aussehen kann, konnte er später an seinen eigenen Auto bewundern. Der Mechaniker selbst fährt einen ca. 30 Jahren alten VW Jetta und dieser stand wie „fast neu“ da. Ein ähnliches Wunder soll mit dem Passat von Eduardo geschehen.
Wenn ich mir die A-Säule von innen so betrachte, wird das wohl auch nötig sein. In der Regel rechnet der Mechaniker mit 6 bis 12 Wochen Reparaturzeit pro Auto. Beim Passat hat er schon vorsichtshalber die vollen 3 Monate kalkuliert. Und da er frühestens im Juli anfangen kann, wird sich das Ganze bis Herbst mindestens hinziehen. Allerdings ist das „Pin-up“ der Karosserie nicht das Einzige, das angegangen werden muss.
Ein Blick in den Motorraum zeigt, dass auch hier etwas Arbeit notwendig ist. Die Kolbenringe verdienen ihren Namen als Dichtringe nicht mehr. Die Zylinderkopfdichtung kommt ihrer Funktion nur noch halbherzig nach. Ölfilter und Zündkerzen müssten komplett ersetzt werden. Der Kühler soll angeblich noch dicht sein. Der bekam auch bereits einen „neuen“ alten Ventilator aus Kunststoff verpasst. Die Gummischläuche für die Wasserkühlung fehlten teilweise, aber das sind Teile, die ein findiger kubanischer Automechaniker selbst „erzeugen“ kann. Die gesamte Verschlauchung der Heizung fehlt. Aber es ist auch gar kein Gebläsekasten mehr vorhanden. Heizung? Wozu? Auf Kuba herrschen das ganze Jahr über Temperaturen zwischen 25 und 35°C.
Zumindest überwiegt der Optimismus von Eduardo, der offensichtlich in seinen Passat vollkommen verliebt ist. Und voller Stolz machte er auf ein Detail aufmerksam, das er für ein Beweis höchster deutscher Ingenieurskunst hält. Sein Passat benötigt nur einen Schlüssel mit dem man die Türen, den Kofferraum und die Zündung bedienen oder öffnen kann. Auf die erstaunte Frage ob andere Auto-Hersteller es anders handhaben, lächelte er milde mit dem Hinweis auf die typisch für Kuba fahrenden amerikanischen Oldtimern aus den 50er Jahren oder deutliche neuere Ladas, quasi das heutige „Volksauto“ auf Kuba. Aber das wahre Volksauto kann nur von Volkswagen sein.
Ich bin gespannt wie die Geschichte weitergeht. Bei dem was man sonst so von der kubanischen Autoszene mitbekommen hat, halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass dieser Passat bald auf Havannas Straßen unterwegs ist. Ich drücke Eduardo auf jeden Fall die Daumen und das nächste Teilepaket ist bereits in Anfrage.
Ich bin mehr als beeindruckt und freue mich für den Besitzer bereits auf die kommende Weihnachten im „neuen“ eigenen Auto.
Wenn er uns vom neu erstandenen Passat GLS dann einige Fotos zukommen lässt, umso besser.
Super coole Geschichte, da bin ich ja auch schon ganz gespannt, was aus dem Vari noch wird! 😮
War auch schon in Cuba und wollte unbedingt mal in so nem alten Ami Taxi mitfahren, was wir damals auch geschafft hatten, obwohl die Touristen nicht mehr befördern durften (hierfür gab´s dann schon die neueren Fahrzeuge).
Aber an VWs (Käfer) kann ich mich da gar nicht mehr erinnern, aber ok.
Schön wenn sich nun ein Kontakt zu einem der noch 6 Passis ergeben hat! 🙂
Gruß
Lalli
Und jetzt Urlaub mit praktischer Unterstützung verbinden, auf nach Kuba mit umfangreichem Gepäck und schon ist Dir eine lebenslange Freundschaft gewiß. Sprachprobleme? Mit Händen und Füßen geht Alles. Außerdem sind Schraubendreher und Ringschlüssel international.
Schöne Geschichte und Daumen hoch.
Interessanter Artikel!