Die letzten vier Wochen hatte ich in meiner Werkstatt, ein in Europa wohl einzigartigen VW untergebracht. Michael aus Ingolstadt hat sich einen 1990er VW Santana Sport aus Brasilien nach Hamburg verschiffen lassen. Geplant war, mit dem Santana als Überraschungsgast beim 40 Jahre Santana-Treffen am letzten Samstag in Wolfsburg aufzukreuzen.
Daher war ich natürlich zur Verschwiegenheit verpflichtet und kann Euch erst heute diese kleine Story präsentieren.
Begonnen hat es bereits Anfang August mit Michaels Anfrage, ob ich den Wagen aus dem Hafen holen und ein paar Wochen beherbergen kann. Das war natürlich kein Problem. Wir kennen uns jetzt seit 30 Jahren, sind seither durchgehend in Kontakt und da macht man sowas natürlich möglich und hilft gerne.
Am 09. September war es dann soweit. Der Container war die Woche zuvor in Hamburg angekommen. Jetzt war der Papierkram erledigt und der Santana stand bereit zur Abholung.
Ich habe die Abholung nicht selber durchgeführt, sondern nur begleitet um dabei ein paar Fotos machen zu können.
Um keinerlei Risiko beim Transport einzugehen, habe ich einen befreundeten Abschleppunternehmer beauftragt und mich mit dessen Fahrer morgens im Hafen getroffen.
Ganz an anderen Ende des Geländes, unscheinbar in einer Ecke abgestellt stand das Objekt der Begierde dann.
Mit ihm noch ein VW Saviero, übrigens mit luftgekühltem Boxermotor aus dem Käfer und ein VW Käfer selber.
Nach einem kurzen Check des Fahrzeugs und einem Abgleich der Papiere ging es dann an den Haken.
Was man hier schon gut erkennt, dem Santana fehlen zwei Türen. Eine Karosserievariante, die es nur in Brasilien gegeben hat. Dazu dann noch eine Sport-Ausstattung, die in Deutschland undenkbar gewesen wäre. Schließlich sollte der Santana hier die luxuriöse Oberklasse von Volkswagen darstellen.
Am Haken einmal um 180° gedreht ging es dann auf den Abschleppwagen.
Die Zeit, die dann noch zum Verzurren draufging, nutze ich derweil um schon mal vom Acker zu machen und mich entlang der Fahrtroute für ein paar Fotos zu positionieren.
Schon eine sehr ansprechende Ladung, die der MAN da auf der Ladefläche hat.
In meiner Firma angekommen erfolgte dann die Abladung und die Gewissheit, dass er es wohl auch auf eigener Achse bis hierher geschafft hätte. Der Motor sprang sofort an. Nachdem ich den Choke gezogen hatte lief der Motor dann auch in kalten Zustand rund. Ja, der Santana hat tatsächlich noch einen Choke-Zug.
Notwendige Arbeiten hat Michael noch gleich in Brasilien erledigen lassen um nicht Gefahr zu laufen, hier nicht die richtigen Ersatzteile zu erhalten. In Details unterscheidet sich der Wagen schon erheblich von seinen deutschen Pendants.
Geschützt vor neugierigen Blicken verbrachte der Santana dann seine ersten Tage bei mir in der Werkstatt.
Als es die Zeit zu lies habe ich ihn dann mal vom ganzen Staub und Dreck befreit, der sich während der Verschiffung und Verladung angesammelt hatte.
Mit reichlich Wasser ging es zunächst dem losen Staub an den Kragen. Erst danach folgte eine Handwäsche mit Shampoo und Waschhandschuh.
Das Ergebnis konnte überzeugen.
Man darf nicht vergessen, dass der Wagen auch schon 31 Jahre auf dem Buckel hat.
Nach dem kurzen Ausflug an die frische Luft ging es wieder in sein Versteck.
Leider haben sich irgendwo auf dem Weg von Brasilien nach Deutschland ein paar unschöne Kratzer auf Heckklappe und Motorhaube eingeschlichen.
Das erforderte dann auch noch etwas Nacharbeit meinerseits.
Auch der Innenraum hat unter dem feuchten Klima im Container etwas gelitten.
Hier haben sich auf allen Flächen, die wohl mal mit menschlichen Schweiß in Kontakt gekommen sind, leichte Schimmelspuren gebildet. Denen bin ich zunächst mit purem Isopropanol zu Leibe gerückt. Der Alkohol tötet solche Pilzsporen sehr effektiv ab. Was dann noch übrig war, schoss die Tornadorgun in Verbindung mit dem Staubsauger weg.
Bei der Motohaube beschränkte ich mich bei der Politur zunächst nur auf den Mittelteil. Nur hier waren die unschönen Kratzer.
Der Unterschied zwischen dem Mittelteil und den beiden Randbereichen war dann aber zu offensichtlich, so dass ich die Poliermaschine abermals angeworfen hatte. Schließlich stand ja weiterhin der Plan im Raum, direkt von Hamburg zum Santana-Treffen zu fahren.
Aus reiner Neugier habe ich mir dann natürlich auch mal ein Blick unter die Motorhaube gegönnt.
Verbaut ist ein 2 Liter-Motor auf 827er-Basis mit 110 PS. Irgendwie ein völlig gewohnter Anblick, der sich aber in vielen kleinen Details dann doch wieder von den hier bekannten Motoren unterscheidet. Auffällig ist zum Beispiel die erweiterte Motorentlüftung mit einem separatem Abscheider, der unten durch einen Schlauch und einer zusätzlichen Bohrung im Block mündet.
Servolenkung, Klimaanlage, elektrische Fensterheber und Zentralverriegelung sind übrigens ebenfalls vorhanden.
Letzten Freitag war dann der große Tag für Michael. Er trudelten gegen die Mittagszeit bei mir in Hamburg ein und er konnte sein Schätzchen erstmals live begutachten. Vor Michael kam in der Woche allerdings schon sein Kumpel Martin aus Brasilien bei mir an. Aber nur in Form eines Pappaufstellers.
Ein kleiner Gag am Rande. Martin hatte für Michael den Kauf und sämtliche Reparaturen in Brasilien abgewickelt. Als kleinen Dank werden die beiden jetzt immer gemeinsam auf den Treffen erscheinen.
Michael selbst hatte dann noch die originalen Kennzeichen aus Sao Paulo im Gepäck.
Ein weiteres schönes Detail.
Ganz ohne eine kleine Probefahrt wollte sich Michael dann am nächsten Tag aber auch nicht auf die Tour nach Wolfsburg begeben. Dazu hatte er dann noch ein paar rote Kennzeichen im Gepäck.
Und genau als wir zu einer kleinen Runde am Deich aufbrechen wollten, sprang der Motor nicht nicht an. Es war wie verhext. Die ganzen Wochen ging es völlig problemlos und auch Mittags hat Michael seinen Santana noch selber nach draußen gefahren. Zum Glück war nur die Polklemme am Minuspol lose. Das war dann schnell behoben und die ersten Kilometer auf deutschem Boden konnten erfolgreich abgespult werden.
Am nächsten Morgen war Michael schon früh auf den Beinen und hat noch mal letzte Hand angelegt.
Er hat sich noch mal um die Fußmatten und die Scheiben gekümmert. Gute Gelegenheit gleich noch einmal auf die serienmäßigen Recaro-Sitze hinzuweisen. Da kann man sich die wirklich die Finger nach lecken. Ach so, Ausstellfenster befinden sich nicht nur in den Türen, sondern auch die hinteren Seitenscheiben lassen sich aufstellen.
Ein wirklich toller Wagen. Das muss ich neidlos anerkennen. Nichts erinnert hier mehr an das typisch biedere Santana-Image. Dazu ein Zustand, der selbst bei deutschen Fahrzeugen seines Gleichen sucht. Das erwartet man nicht von einem Fahrzeug, welches über 30 Jahre der brasilianischen Sonne und den dortigen Verkehrs- und Straßenverhältnissen ausgesetzt war.
So ging es dann im Anschluss gemeinsam auf die Tour nach Wolfsburg. Das wird aber ein gesonderter Artikel.
Ich möchte mich auf diesem Wege noch mal bei Michael für das mir entgegengebrachte Vertrauen bedanken. So ein Fahrzeug hat man schließlich nicht alle Tage in Obhut.
Oh, das ist ja mal eine Überraschung! Der steht für die 31 Jahre ja echt noch sehr gut da. Ich bin gespannt, wann ich den mal live sehen kann.
Ist der denn überhaupt mit überschaubarem Zustand zulassungsfähig in Deutschland?
Hi Eve!
Ganz so einfach wird´s wohl nicht werden, nein…
Bin natürlich für jeden Tipp dankbar, klar!
WOB hat hier natürlich keine Daten für die Erstellung eines Datenblattes von Fahrzeugen aus Brasilien, da ja auch in Brasilien produziert und es dort auch keinen „Brief“ oder ähnliches gibt.
Aber schau ma mal, kommt eh auf meine 07, von daher eilt das heuer auch nicht mehr, denn bald haben wir wieder Winter! 😀
Servus Lalli,
brauchst du für die 07er inzwischen kein H-Gutachten?
Aber die ganzen T2 Brasilienimporte wurden ja auch bis vor ein paar Jahren noch „eingedeutscht“.
Eventuell müsstest du da mal recherchieren und versuchen einen Kontakt herzustellen.
Ich bin gespannt, wie es weitergeht. 🙂
doch doch, auch wenn ich den Sport auf meine 07 nehme, wird erst mal ein Vollgutachten und dann das H-Gutachten nötig sein…
Nun ja, die letzten T2, das waren dann ja schon ein paar und ich meine da gab´s auch erst mal Probleme, aber die wurden dann eben ganzheitlich für alle gelöst. Da stand dann allerdings ne ganz andere Lobby dahinter, als bei so nem Verrückten, der quasi ein „Einzelstück“ importiert! 😀
Hallo Lalli,
herzlichen Glückwunsch zu diesem tollen Wagen!
Für meinen Reliant Rialto 2 GLS (2009 der erste in Deutschland mit regulärer Zulassung) habe ich über Herrn Gerst beim TÜV-Süd ein Datenblatt erstellen lassen:
https://adrian.kochs-online.net/2009/09/18/der-heilige-gral/
Herr Gerst ist mittlerweile in Rente, aber es gibt dem Vernehmen nach einen ebenso engagierten wie kompetenten Nachfolger.
Auch bei mir gab es nur sehr spärliche Unterlagen (Hersteller insolvent, nie nach D exportiert). Da reichten ihm für das Datenblatt Prospekte bzw. das Handbuch des Autos und ein paar Angaben, die ich selbst beisteuern konnte.
Hallo Adrian!
Das hört sich tatsächlich sehr vielversprechend an, ja!
Prospekt gibt es von dem Sport leider nicht (gab es tatsächlich nichts von VW), somit ist nur der jährliche „Steuerbescheid“ vorhanden und die Aluplakette am Innenkotflügel.
Klar, das Handbuch gibt es, aber das ist ja allgemein gehalten.
Im Prinzip ist das ja nichts anderes als der deutsche Santana, nur eben mit 2 Türen und einem brasilianischen Motor…
Welcher TÜV Süd ist das denn, denn das Datenblatt auf der verlinkten Page lässt sich leider nicht vergrößern?
Jedenfalls vielen Dank erst mal für den Tipp!
Und natürlich Dankeschön für die Glückwünsche! 🙂
Moin,
den Kontakt kannst du ganz unkompliziert per Mail herstellen. Kontaktdaten findest du hier:
https://www.tuvsud.com/de-de/branchen/mobilitaet-und-automotive/oldtimer/oldtimer-datenblattservice
Wie gesagt: Bei mir war das beide Male (ich habe noch einen 1973er Bond Bug 700ES, bei dem es ähnlich gruselig mit Dokumenten war) völlig problemlos und sehr nett.
Hallo,
so eng sehe ich es mit der Zulassung in D nicht.
Lalli hat doch sicher alle Unterlagen zu dem Fahrzeug. Einfach alles mitnehmen zur §… Untersuchung. Ein kompetenter Prüfer schaut sich alles an und kann dann einen Bericht erstellen mit der Schlüsselnummer 000.
So war es mit meinem Warszawa (Baujahr 1956) vor 25 Jahren. Das größte Problem wäre die Abgasvorschrift. Aber 1990 war doch (glaube ich) noch nicht einmal die Euronorm 1 Pflicht.
Und dann kann Lalli damit das Fahrzeug mit „H“ zulassen, oder es auf seine 007-er Nummer zulassen.
ich hab jetzt tatsächlich soeben noch nen Termin bei einem mir bereits bekannten Prüfer in IN für Donnerstag bekommen, mal sehen was der spricht 😉
Und? Was hat sich ergeben?
das Thema war realtiv schnell durch, da ich keine Unterlagen vom Motor habe (da gibt es offiziell auch nichts in Brasilien, auch keinen Fahrzeugbrief oder so etwas in der Art), was aber wohl bzgl. des Abgasverhaltens und des Geräusches von Nöten ist.
Von daher muss ich nun mal zusehen, wie ich hier weiterkomme…
Aber na klar ein Abgas und Geräuschgutachten die absolut letzte Option sein sollte!
Okay,
ich drücke dir die Daumen.
Spannendes Auto. Danke für deinen Bericht.
Wie groß sind die Felgen vom Santana Sport? Normalerweise hätte ich gesagt: „Da hat es aber jemand übertrieben.“
das sind 17 Zöller namens Gt2 und für meinen Geschmack sind die genau richtig, aber Geschmäcker sind eben verschieden
Moin!
Mit den Santanas halte ich es ja grundsätzlich wie der KLE: Sie gefallen mir einfach nicht. Doch das Teil hier ist echt schnuckelig. OK, die Felgen sind auch nicht so meins, aber hauptsache Lalli gefallen sie.
Zicken die Zulasser herum, wenn auf den Rückleuchten keine „E“-Nummer ist? Ich bin gespannt und wünsche viel Glück!
Adios
Michael