Ich nehms mal vorweg: Was mir heute passiert ist, ist an Dusseligkeit kaum zu überbieten! Es traf mich wirklich hammerhart.
Dabei begann alles sehr erfolgversprechend. Die Straße vor meinem Hotelzimmerfenster war soweit fertig, dass sie schon wieder freigegeben war.
Für mich hieß es wieder Klamotten zusammenpacken und dann das vorzügliche Frühstück zu genießen.
Mein erster Weg führte mich dann wieder an die nächste Tankstelle. Einmal volltanken um für den Tag gewappnet zu sein, auch wenn die für heute geplante Strecke nur gut 135 Kilometer betrug und die letzten 20 Kilometer bis zum Ziel mit der Fähre absolviert werden. Sicher ist sicher.
Von Bryne ging es nordostwärts, zunächst auf dem Fylkesvei 505. Eine durchaus gut ausgebaute Provinzstraße. Lange blieb ich ihr aber nicht treu und es verschlug mich wieder auf kleinere Nebenstraßen.
Das sah doch schon besser aus. LKWs musstem schon mal gleich draußen bleiben. Das Schild war eindeutig.
So langsam wurde die Landschaft wieder hügeliger. Noch gab es die saftig grünen Wiesen, doch die sollte bald wieder Gesichte sein.
Spätestens beim Erreichen der ersten Fähre in Lauvik, die mich auf die Nordseite des Lysefjords bringen sollte, änderte sich die Landschaft wieder.
Für gut acht Euro ging es von hier rüber nach Oanes.
Während der Überfahrt konnte ich mir schon mal einen kleinen Blick in den Anfang des Lysefjords, dessen Ende das heutige Tagesziel liegt, genehmigen.
Der Fjord zieht sich von hier ca. fünfzig Kilometer ins Landesinnere. An ihn befinden sich auch die beliebten Touristenziele Preikestolen und Kjerag. Leider beide nur nach stundenlangen Fußmärschen zu erreichen und daher für mich in der mir zur Verfügung stehenden Zeit nicht machbar.
Nun klingen 135 Kilometer für den ganzen Tag, zumal hier an der Fähre nach zwei Stunden schon fast die Hälfte abgespult war, recht wenig. Das zügige Fortkommen sollte hiermit dann auch so langsam endgültig beendet wurde. Es ging hinein in die Einsamkeit. Meine Route hatte ich ja über Google Maps recht gründlich vorgeplant. Kleine Wege habe ich dabei eindeutig bevorzugt und die kosten nun mal Zeit. Zeit die ich aber hatte. Nicht gewarnt hat Google Maps mich vor solchen Verkehrsschildern.
Eigentlich auch klar was das bedeutet. Allerdings war da drunter noch ein Zusatz und den habe ich so interpretiert, dass ich hier durch darf.
Dass der Asphalt dann auch alsbald zu Ende war störte mich nur wenig. Das kannte ich ja schon.
Ich kam hier wunderbar voran. Kein Grund umzukehren und wenig später war ich auch wieder in der Zivilisation.
Wenige Kilometer später erblickte ich im Augenwinkel eine kleine Brücke. Zunächst bin ich dran vorbeigerauscht, habe dann aber unverzüglich umgedreht. Da bot sich in meinen Augen eine tolle Fotomöglichkeit an, da die Brücke komplett ohne Geländer war. Gesagt, getan.
Die Freude währte allerdings nicht lange.
Ich wurde vertrieben. Ein dicker LKW wollte über die Brücke und ich musste den Standpunkt zwangsläufig räumen.
Kann ich ja nicht ahnen, dass das die Zufahrt zu einem Schotterlagerplatz war.
Und es riss nicht ab mit den Überraschungen.
Ein Schild in knalligem Neongelb hatte mir bestimmt etwas wichtiges mitzuteilen. Nur was? Aber anscheinend bezog sich das ja nur auf den 23. und 23. August. Das wäre ja erst morgen. Also einfach weiter.
Upps, da haben die wohl einen Tag früher angefangen die Straße aufzureißen.
Hier war absolut kein durchkommen. Dabei wären es jetzt nur noch knapp 500 Meter und ich wäre sowieso abgebogen. Also kurz den Google angeworfen und mir eine andere Strecke herausgesucht. Die gab es dann auch. Aus den 500 Metern wurden dann allerdings 11 Kilometer.
Der Umweg führte mich dann aber an einen weiteren Spot, den ich einfach mitnehmen musste.
Wieder so ein kleiner Sportboothafen an einem dieser riesigen Seen.
Wenig später dann wieder so ein neongelbes Schild, welches ich schon von weitem ausmachte.
Ich hatte das andere Ende der Baustelle erreicht und hier stand auch schon der Wegweiser nach Songesand. 26 Kilometer und ich bin unten an der Fähre am Lysefjord. Diese 26 Kilometer sollten dann allerdings eine der spektakulärsten Strecken werden, die ich je mit dem Auto gefahren bin.
Zunächst wurde ich dann argwöhnisch beobachtet. Was will der denn hier?
Die Kumpels sollten für die nächsten Stunden die einzigen Lebewesen sein, die ich zu Gesicht bekam.
Denn jetzt begann Natur pur.
Zunächst so ein Zwischending zwischen Stromschnelle und Wasserfall.
Einfach beeindruckend.
Das war mir doch glatt den nächsten Stopp wert. Es ging rauf auf die glitschigen Steine und das Stativ wurde positioniert.
Ich war wirklich baff. Das waren schon Naturgewalten die da den Berg hinunter rauschten. Genau für solche Momente wollte ich nach Norwegen.
Und für solche Aussichten:
Endlose Weite und absolut menschenleer. Traumhaft.
Und genauso ging es weiter. Die Sorge, das mein TS jemanden stören könnte, wenn ich ihn so mitten auf der Straße einfach stehen lassen, habe ich schnell begraben.
Atemberaubende Landschaft.
Noch ein Blick in die andere Richtung gefällig?
Sandvatnet und Litla Sandvatnet heißen die beiden Seen die sich da oben in der Hochebene auftaten.
Zunächst dachte ich ich spinne, aber an beiden Seen gab es einen Sandstrand. Mitten in dem sonst nur aus Felsen und Moos bestehenden Landstrich.
Ich bin wirklich kaum 500 Meter gefahren und musste schon wieder den nächsten Stopp einlegen. So ging das die ganze Zeit. Immer wieder neue Eindrücke die einem die Sprache verschlugen. Absolut irre.
Und dann doch wieder ein Hauch von Leben. Auch wenn es wieder nur eine Horde Schafe waren.
Ich war also doch nicht ganz alleine hier oben.
Und dann lag er plötzlich vor mir: Der Lysefjord. Ein wahrlich atemberaubender Anblick von hier oben.
Beidseitig eingerahmt von den bis zu 1000 Meter hohen Felswänden. Mir fehlten langsam echt die Worte.
Da musste auch mein treuer Begleiter mal wieder mit aufs Bild.
Jetzt musste ich nur noch runter zum Fjord. Irgendwo von da unten ging meine Fähre die mich nach Lysebotn am Ende des Fjords bringen sollte.
Einen kleinen Campingplatz und gut zwanzig Häuser gibt es hier unten in Songesand.
Wohlgemerkt sauber verteilt auf gut fünf Kilometer. Nicht das noch jemand denkt hier unten tobt das Leben.
Gut fünf Stunden habe ich jetzt bis zum Fähranleger am Fjord gebraucht.
Einen anderen Weg hier wieder weg zu kommen gibt es nicht.
Ich hatte mit genügend zeitlichen Spielraum eingeplant um die Fähr bloß nicht zu verpassen. Gut eine dreiviertel Stunde hatte ich jetzt noch bis zur Ankunft der Fähre Zeit. Zeit die ich wahrlich genossen habe. Diese Ruhe, diese Aussicht und diese Luft. Kennt Ihr diesen typischen Nordseegeruch? Salzwasser und Seetang. Genauso roch es hier. Über fünfzig Kilometer im Landesinneren und umgeben von hohen Felsen. Verrückt.
Mit fünfminütiger Verspätung kam dann auch schon die kleine Schnellfähre. Die hält hier übrigens nur, wenn man vorher ein Ticket gebucht hat. Sonst rauscht sie an diesem einsamen Anleger einfach so vorbei.
Das Ticket war das erste was ich für meinem Norwegen-Trip gebucht hatte. Denn hiernach habe ich mir meine Tour zurechtgeplant und da sie recht klein ist, ist nicht an jeden Tag ein Platz mehr frei.
Die Fähre legte an und ich wollte gerade drauf fahren, da kam der Fährmann zu mir runter und wollte zunächst mein Ticket sehen.
Kein Problem. Oder doch?
„Wich day is today?“ fragte er mich. „This ticket was for yesterday!“
Ich wollte es natürlich nicht wahrhaben, aber er hatte Recht. Ich habe mir tatsächlich das Ticket für den falschen Tag gebucht. Wie blöd kann man eigentlich sein?
Nun hatte ich ja noch die wage Hoffnung, dass ich trotzdem noch mitgenommen werde. Zur Not müsste ich dann eben ein neues Ticket kaufen. Die Hoffnung nahm mir der Fährmann dann aber recht schnell. „We are full!“
Platz wäre wohl noch gewesen, aber sie hatten schon einen Bagger und einen Gabelstapler an Bord und damit war die Zuladungsgrenze bereits erreicht. Keine Chance!
Jetzt hatte ich aber ein Problem. Ich schrieb ja schon, hier von und nach Songesand kommst man nur mit der Fähre oder über den Weg denn ich gekommen bin. Ich will aber nach Lysebotn, das von hier ja nur 20 Kilometer entfernt ist. Mit der Fähre…
Mit dem Auto war das jetzt ein Weg von 190 Kilometern!
Was will ich machen? Mir bleibt keine Wahl, denn Lysebotn war für mich gesetzt. Jetzt aber hurtig, Über drei Stunden Fahrzeit warf mir Google für die Strecke aus.
Noch bevor die Fähre wieder ablegte, erklomm ich schon wieder die Straße hinauf zur Hochebne. Diesmal lief alles in etwas erhöhtem Tempo ab. Ich musste alles wieder zurück, zurück bis zur Fähre von Oanes nach Lauvik, die ich heute morgen nach nicht mal einer Stunde Fahrt erreicht hatte.
Erst kurz hinter der Fähre konnte ich dann den neuen Weg, südlich des Lysefjords, neu aufnehmen. Diese Strecke wäre sonst überhaupt nicht von mir berührt worden. Nun ist alles anders.
Zum Glück war sie war sie durchweg ebenso sehenswert. Nur fehlte mir jetzt einfach die Zeit für weitere Stopps.
Einen Stopp musste ich dann aber doch noch einlegen.
Noch hatte ich zwar Sprit im Tank, aber die Gegend wurde wieder einsamer und am Zielort in Lysebotn gibt es keine Tankstelle. Also in Sirdal ein zweites Mal vollgetankt.
Genauso wie Songeand, lässt sich auch Lysebotn nur über eine Straße oder per Fähre erreichen. So kam es unweigerlich dazu, dass ich die Strecke die ich für den nächsten Tag in anderer Richtung geplant hatte, heute schon Richtung Lysebotn fahren musste.
Leider auch hier jetzt keine Zeit für Stopps. Obwohl auch diese Strecke schon wahrlich ihre Reize hatte.
Sie war auch relativ viel befahren, denn sie führte auch zum Parkplatz, an dem den Wanderroute zum Kjerag beginnt.
Direkt hinter dem Parkplatz geht es jetzt auf dem Lysevegen in 27 Kehren und einem Tunnel rund 800 Meter runter nach Lysebotn.
Der Tunnel ist ein ganz spezielles Bauwerk. Er wurde lediglich in den Fels gehauen um eine Strecke zu erhalten, mit der einen Höhenunterschied erreicht werden kann. Es geht also einfach gut 500 Meter gerade rein in den Berg, dann in eine 180°-Kurve im Tunnel und dann die 500 Meter wieder gerade zurück.
Die gesamten Straße und der Tunnel sind übrigens gerade mal knapp H-Kennzeichenfähig. Sie wurden erst 1984 erbaut um die Wasserkraftwerke in umd um Lysebotn auch mit größeren LKWs erreichen zu können. Zuvor kam man hier nur mit der Fähre hin.
Direkt nach der Tunnelausfahrt hat man dann zum ersten Mal den Lysefjord so richtig vor Augen.
Das Tagesziel ist jetzt fast erreicht. Mit über drei Stunden Verspätung…
Lysebotn ist ist nicht wirklich groß. Der Ort besteht hauptsächlich aus einem Kraftwerk, einer Fähranlegestelle und einigen touristischen Einrichtungen. Meine Weg führte mich dann auch als erstes in eine dieser touristischen Einrichtungen. Erstmal das Nachtlager klar machen und dann aber runter zum Fjord. Von meiner Unterkunft waren das keine 200 Meter. Klar, dass ich die aber nicht zu Fuß gehe.
Hier am Fähranleger hätte ich eigentlich um 15:25 Uhr mit der Fähre ankommen sollen. Jetzt war es 18:45 Uhr und der Bagger war auch schon da.
Jetzt war aber relaxen und genießen angesagt. Ich finde DAS habe ich mir verdient.
Natürlich hatte ich meine Kamera am Mann, denn es gab zwei Zielfotos die ich auf jeden Fall schießen wollte.
Nummer 1 ohne Passat:
Nummer 2 mit Passat:
Das rote Rettungsboot für die Base-Jumper bildete dabei einen richtig netten Kontrast.
Gut zwei Stunden habe ich mir dieses Naturschauspiel gegönnt. Es wäre eine Schande, wenn ich mir das hätte entgehen lassen. Die wohl ebenso beeindruckende Fährfahrt entlang der gigantischen, bis zu 1000 m hohen, Felswänden fehlt mir jetzt leider trotzdem im Repertoire.
Sachen zusammenpacken und ab in die Herberge.
Bis 21:00 Uhr hatte ich in den Lysefjorden Turisthytten noch die Chance auf etwas warmes zu Essen und das brauchte ich jetzt auch.
Und geschlafen habe ich danach wie ein Bär. Wer will mir das verdenken.
Von dem ganzen Gegurke des Tages fehlt natürlich noch der aufgezeichnete Track.
Eine Hammertour. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Tolle Fotos und ein spannender Reisebericht, Olaf. Ich kann es kaum erwarten, endlich selbst wieder mit dem Passat nach Norwegen zu fahren.
Moin Olaf,
wirklich ein toller Reisebericht.
Wahnsinn, was du immer für tolle Strecken ausgräbst!
Ich freue mich jeden Morgen auf einen neuen Teil.
Danke.