Heute gibt es mal wieder eine Story aus der guten alten Zeit.
Es war einmal ein Teilelager, von deren Existenz man heute nur noch zu träumen wagt. Wir schreiben das Jahr 1998 und begeben uns in eine kleine Stadt Namens Klötze. Hier im beschaulichen Altmarkkreis Salzwedel liegen sie wohl, die Wurzeln des VW Classic Parts Center.
Ruhig ging es zu, am Morgen des 16.August. Der Tag war noch sehr jung, als aus allen Himmelsrichtungen, vier Passat-Verrückte in die kleine Stadt einrückten. Was können die hier wollen? Der Bäcker, der gerade seine Türen geöffnet hatte, kann wohl kaum der Grund gewesen sein. Etwas argwöhnisch wurden sie dann auch bestaunt. Was sind denn das für komische alte Autos und was sind das für merkwürige Kennzeichen: HH, WOB, GS und BO. Sind das Touristen? Man ist sich nicht einig. Die vier spürten förmlich wie die Blicke ihnen folgten, als sie mit reichlich Brötchen bewaffnet, in ihre tollkühnen Kisten stiegen und Richtung Stadrand davonbrausten.
Nun aber genug, dieser Schreibstil liegt mir nicht wirklich. Ich bin kein Träumer und kein Dichter, ich bin Hamburger und ich bin Techniker. Und da gibt es klare Fakten, ohne viel Geschwafel.
Nun der Grund für die außergewöhnliche Zusammenkunft war der Besuch des ersten Teilelagers des VW Classic Parts Center. ich bin allerdings noch nicht einmal sicher ob es diesen Namen zu dieser Zeit überhaupt schon gegeben hat. Das ganze steckte wirklich noch in den Kinderschuhen.
Dementsprechend provisorisch präsentierte sich das ganze dann auch.
Trotzdem waren wir überwältig von der Fülle an Teilen die dort lagerten. Eine Sortierung gab es nicht, alles war in Gitterboxen verstaut und die standen über das gesamte Areal verteilt herum. Der absolute Wahnsinn. Angeliefert wurden die Massen per LKW, es kamen aber auch ganze Waggonladung per Zug dort an. Heute gibt es hier nicht einmal mehr Gleise….
Niemand konnte uns sagen wo wir was finden könnten. Das nenne ich mal ein chaotisches Lagersystem. „Guckt Euch einfach alles an“, hieß es ganz lapidar. Eine Aufforderung, der wir natürlich nicht widerstehen konnten. Eine offizielle Verkaufstelle ist das hier übrigens nie gewesen. Nur über eine persönliche Einladung, hatten wir überhaupt die Möglichkeit hier Eintritt zu erhalten.
Und so begaben wir uns auf außergewöhnliche Kletterpartien zwischen Türmen von Gitterboxen.
Kiste für Kiste wurde durchforstet um passenden Teile zu finden. Wir haben uns bei unser Suche aufgeteilt, um möglichst in viele Boxen reinschauen zu können. Mitunter hat man sich dann immer mal wieder getroffen. Dann wurde schnell abgefragt, was schon gesichtet wurde und die neue Route geplant.
Was kann es für Männer schöneres geben? Mittendrin in zentausenden von Autoersatzteilen. Und immer wieder stellte man sich die Frage: Wofür ist das Teil? Gerade bei Kleinteilen kann man da schon mal ins Grübeln kommen.
Bei anderen Teilen war die Sache eindeutig.
Diese Scheinwerferrahmen stechen zwar extrem ins Auge, standen aber nicht auf unserer Einkaufsliste. Also ab zum nächten Gitterboxenturm. Oben angekommen, traf man sich mal wieder.
Ich glaube so ein Gesichtsausdruck sagt alles. Wir sind im Paradies.
Wir erhielten sogar Zutritt zu damals absolut heiligen Hallen. Hier wurden dann wenigstens ein paar Sachen gelagert, die man sonst bei längerer Lagerung unter freien Himmel, sofort hätte vernichten können.
Massen von Motoren, Getrieben und großen Innenaustattungsteilen wurden hier verwahrt. Aber auch einige alte Fahrzeuge standen da herum. Ich erinnere mich unter anderem an einen gelben Passat GLS. Ob der noch Chromstoßstangen oder schon Konstoffstoßstangen hatte, vermag ich heute nicht mehr sicher zu sagen. Fotos durften wir hier leider nicht machen. Auch einer der allerersten Passat stand, da noch herum. Der war sogar noch einmal extra weggeschloßen. Ich weiß aber, daß er Oliv Metallic war. 😉
Trotz der provisorichen Geschichte, war die Infrastruktur soweit fortgeschritten, daß uns zum Transport unser gesammelten Teile, hochtechnische Transportmittel zu Verfügung standen. So konnten wir am Ende des Tages zur Kasse rollen.
Zum Abschluß des Tages gab es noch ein Foto mit der erlegten Beute. Das ist bei Jägern ja so üblich.
Michael, Ich, Dirk und Dirk mit den erlegten Trophäen.
Es war ein absolut irrer Tag. So etwas wird man wahrscheinlich nie wieder erleben. Ab diesem Tag konnte ich Frauen verstehen, die völlig erschöpft vom Shoppen nach Hause kommen.
Heute gibt es das in dieser Form leider nicht mehr. Sonst könnte man sich wohl auch jeden Anruf beim CPC sparen. Allerdings bin ich mir nicht sicher, wieviel von den ganzen Teilen es letztendlich wirklich
in ein vernüftiges Lager geschafft haben. Die Lagerung unter freien Himmel hat bestimmt tausenden von Teilen das endgültige Ende beschert.
Ja, ja… schön wars. Und hätte ich damals schon Geld gehabt, hätte da sicher nicht nur ein Einkaufswagen gestanden.
Den einundzwanzig einbaufertigen Audi 80 GT Motoren mit Aluölwanne, OHC Deckel, usw. komplett mit zugehöriger Gemischaufbereitung trauere ich heute noch nach.
Es wären nichteinmal 1000,-DM für einen fällig gewesen…. jetzt sind sie alle irgendwo in Osteuropa 🙁
Und zu einem kompletten neuen Vorderwagen würde ich heute glaube ich auch nicht mehr nein sagen…selbst die Dachhäute oder die Kofferböden würde ich kaufen, oder die….., oder die…, oder…
Ach nein, ich höre lieber auf darüber nachzudenken. Es war halt einige Jahre zu früh für mich.
Der GLS war übrigens von 1976 mit vier Türen. Im Innenraum lagen (wieso auch immer?) Kutschenräder, daran kann ich mich erinnern; genauso wie an die ca. 50 ledernen 32er Armaturentafeln in weinrot/braun, die allerdings für Rechtslenker bestimmt waren, oder an hunderte Auspuffendtöpfe für L oder S Versionen mit „Brötchen“, die in Gitterboxen – vier oder fünf davon aufeinander gestapelt- das gesamte südwestliche Areal des Geländes einzäunten, gleich neben der Halle mit den Westfalia-Teilen für die Busse…
Ich schweife schon wieder ab.
Ich muß jetzt dringend zur Ablenkung noch ein Bier auf den Schock der Erinnerung nehmen, sonst bekomme ich Tränen in den Augen und eine gewisse Verständnis für den Satz:“Früher war alles besser!“, den unsere Altvorderen schon immer sagten stellt sich auch irgendwie gerade bei mir ein.
P.S.: Ein Foto aus dem Teilelager Klötze hängt bei mir als Erinnerung im Büro.
Gruß,
Dirk.
Sehr schön beschrieben, war auch einmal mit meinem Vater dort und wir haben die gleichen Klettertouren hinter uns. Unvorstellbar was dort alles rumstand. Auf dem Hof ein verlängerter T3, dem ein zweites Mittelteil eingesetzt worden war. Kein System bei der Lagerung. „Schaut einfach durch“. Und ich meine nicht nur VAG-Teile gesehen zu haben. Sehr viel einfach unter freiem Himmel abgestellt. Schade, dass ich nicht noch einmal dort war, die Gelegenheit war einmalig. Ein unvergessliches Erlebnis!
Moin. Seit ein paar Tagen bin ich Besitzer eines 1988er 32b FLH.
Zufällig habe ich diesen Eintrag über meine Heimatstadt Klötze gelesen.
Da ich selber ein 92er Baujahr bin, habe ich keine direkte Erinnerung was Ende der 90er auf dem Gelände des ehm. Milchwerk los war.
Vielen Dank für die tolle Dokumentation dieses stückes Geschichte.
Heute wird ein Teil des Milchwerkes von ansässigen Firmen genutzt. Ein großer Teil des Geländes inkl. der Dächer ist schon seit Jahren mit Solarpanelen zugepflastert.
Beste Grüße
Marius